Wie groß sind deine Brüste?

Ich oute mich: Ich benutze Tinder. Das die App einen gewissen Ruf hat, sollte kein Geheimnis mehr sehr. Ich persönlich hatte über Tinder bis jetzt die schönsten Dates.

Zu Beginn störte mich die Oberflächlichkeit, dass nur nach dem Aussehen entschieden wird, ob man jemanden „mag“ oder nicht. Eigentlich finde ich es mittlerweile ganz praktisch. Man sucht sich ja auch seine Freunde nach gewissen äußeren Kriterien aus. Zudem spielt bei Partnerschaft auch die Optik eine Rolle und wenn mir jemand optisch nicht gefällt, wie soll es dann im Bett klappen, wenn ich mir nicht mal vorstellen kann, mit diesem Mann Verkehr zu haben?

Das Spannende ist immer, wie ein Kontakt beginnt. Ich habe kein Problem damit, Männer auch von mir aus anzuschreiben, aber bei der hohen Anzahl an nicht Resonanz, die nicht mal ein Löschen zeigt, spare ich mir den Stress und fordere die Jungs klar zum 1. Schritt auf. Dieser Spruch zeiht erstaunlich gut, muss ich sagen.

Gespräche beginnen dann immer ganz unterschiedlich. Da wären die Sparsamen.

„hi“

„hi“

„wie geht’s“?

„Gut. Und selbst?“

„Auch. Bist du aus x?“

„ja.“

„ich auch“

An dieser Stelle frage ich mich dann immer, was es mir kommunizieren soll, dass jemand aus der selben Stadt wie ich kommt. Warum sollte ich jemanden vom anderen Ende der Republik suchen? An dieser Stelle lösche ich dann immer ganz gerne das Match. Es gibt einfach Null „Angriffspunkt“, um ein Gespräch aufzubauen.

Dann gibt es auch die mit „der Tür uns Haus Faller“. Hier ist klar, dass es nur um Sex geht. Sie beginnen meinst mit „Bock“ und dann wird man nach seinen sexuellen Vorlieben gefragt. Eigentlich ist das schon irgendwie dreist, aber es scheint ja zu ziehen, sonst würden sie es ja auch nicht machen. Und es hat den Vorteil, dass man von Anfang an weiß, dass jemand nur das Eine sucht. Dennoch bin ich hier vorsichtig. Zwischen aushorchen und selbst nichts von seinen Vorlieben verraten, ist ein Unterschied und es lieg einfach ein Ungleichgewicht vor, wenn ich meine sexuellen Wünsche verrate, aber mein Gegenüber nicht. Schließlich sollten seine Vorlieben ja auch zu mir passen und mir gefallen. Auf ein „klingt sehr gut“, kann ich mir nie einen Reim machen. Soll das jetzt übersetzt heißen, dass wir das gleiche mögen oder die Basis stimmt? Solche Kontakte verfolge ich nicht weiter. Ich kann es einfach nicht, nur auf das Sexuelle reduziert zu werden, ich mag es, wenn auch Interesse an mir als Person mitschwingt.

Spannend ist auch immer, wenn sich Tindergespräche auf andere Kanäle verlagern. Ab jetzt ist alles möglich, denn es können im Gegensatz zu Tinder auch Bilder verschickt werden. Einer meiner ersten Kontakte schickte mir eines Tages ausversehen mal ein Digpic. Ich sah das Bild auf Whatapp, öffnete und ein erregter Penis sprang mir entgegen. Ich hatte nicht danach gefragt, es wurde einfach geschickt. Die Erklärung dazu war höchst amüsant. Es sollte an die F+ gehen und landete ausersehen bei mir.

Eigentlich hätte ich dieses Bild behalten müssen, für die folgenden Anfragen nach Fotos von mir. Warum nicht mal frech einfach so ein Foto schicken.

Aber auch sonst werden auf Tinder gerne mal alle Hemmungen fallen gelassen. Einer meiner kuriosesten Kontakte war ein Windelfetisch. Leider hatte der gute mal einen Unfall gehabt und sich irgendwie ein Schädel- Hirn- Trauma zugezogen, welches Inkontinenz zur Folge hatte. Dieses Schicksal und den Fetisch sagte er klar.

Dann gibt es die Verstecker. Sie fangen ganz normal mit Smalltalk an, steigern sich dann ins Flirten und enden dann im Aushorchen. Das beginnt dann gerne mit Komplimenten, bis hin zu Fragen, wie groß die Brüste sind und zeigen sich hartnäckig, in der Hoffnung, dass ihre Frage dann beantwortet wird.

Egal wie ein Gespräch beginnt, man darf sich nicht aufregen. Der Name Tinder sagt schon alles und es ist die Anonymität des Netzes, das einfach alles erlaubt. Man hat ja kein Gegenüber und dieses kann sich ja nicht empören. Hier hat Sensibilität schon seinen Vorteil. Sie schützt vor Naivität und da automatisch alles darin gespeichert wird, wie Menschen sich dreist verhalten können, geht man nicht unbedingt nicht auf alles ein. Natürlich könnte ich diesen Typen ordentlich die Meinung geigen, aber was würde es bringen. Nichts. Ich stehe drüber und belächle es. Auf manches muss ich nicht eingehen und diese Freiheit nehme ich mir auch, weil ich manche dieser Schlachten zu oft geschlagen habe und heute getrost selbst entscheiden kann, wann ich eine solche führe.

Männer und andere Katastrophen

Seit einer guten Weile bin ich schon im online- Dating unterwegs und ich habe ungelogen alles ausprobiert: Parship, Elitepartner, Tinder, Bumble, Münchner Singles. Habe ich an dieser Stelle eine Plattform vergessen? Nein, ich denke nicht.

Online- Dating ist definitiv nichts neues mehr heutzutage, vielleicht die Art des Kennenlernens im 21. Jahrhunderts. Während es meine Großeltern noch ganz klassisch im real life es schafften, sich kennenzulernen, gehen wir, also wir Menschen des 21. Jahrhunderts eben online und entscheiden durch das Wischen, wer uns optisch gefällt und wer nicht. Und ja, oberflächlicher geht es nicht mehr. Aber hey, Leute im RL anzureden ist auch verdammt schwer geworden im 21. Jahrhundert, oder?

Nachdem meine 6,5 jährige Beziehung zu Ende ging, empfahl mir mein Therapeut online- Dating. Richtig gelesen. Ich habe einen Therapeuten. Diagnose: Borderline. Das bedeutet für mich ein Leben lang Schwierigkeiten mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu haben. Aber eigentlich lebe ich mit meinem selbst genannten Dachschaden mittlerweile ganz gut. Irgendwie haben wir es geschafft uns zu arrangieren. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich vielleicht an anderer Stelle erzählen werde. Auf alle Fälle bringt meine Diagnose es mit sich, dass man zwischenmenschlich sensibler ist. Ich sage immer: I know who you are before you even know it. You call it gift. I call it burden. Und das macht online- Dating zu einer wirklichen Herausforderung für mich. Für mich gibt es nichts Schlimmeres als verlassen zu werden. Ich will entscheiden, wann ich verlasse. Vom Verlassen werden überfallen zu werden, ist nicht schön. Natürlich mag das niemand, auch die Normalos nicht. Aber für mich bricht jedes Mal eine Welt zusammen und kann in wirklichen Krisen enden.

Aber in der Zwischenzeit sind die Jahre ins Land gezogen und ich bin älter geworden. Und ja mein Therapeut hatte Recht, dass sich manches mit dem Alter legt. Heute bin ich 32 und arbeite mit Menschen. Kein Witz, ich liebe die Arbeit mit Menschen, scheine darin auch gut zu sein und das mit meiner hohen Sensibilität. Statisch gesehen, könnte ich das mit der Diagnose nicht. Aber einen Ausreißer muss es doch immer geben ;).

Wie gesagt meine (wunderbare) 6,5-jährige Beziehung ging zu Ende und seitdem bewege ich mich im Dschungel, nein im Chaos des Datings. Ich habe mich daran gut gewöhnt und kann seit der Zeit, in der ich das betreibe von Anfang an gut einschätzen, wie sich ein online- Kontakt entwickeln wird. Nicht vergessen: Ich bin sensibler als Andere und speichere alle Erfahrungen hier in meinem Überlebenskästchen ab. Muss ja früh genug abschätzen, ab wann ein Kontakt „gefährlich“ wird. Gefährlich heißt für mich nicht im Sinne des Strafgesetzbuches, sondern zwischenmenschlich anstrengend. Ich habe für mich herausgefunden, dass ich keine Dates mag, mit denen man nicht offen kommunizieren kann.

Es ist heutzutage kein großes Geheimnis mehr, dass Kommunikation in einer funktionierenden Partnerschaft alles ist. Ich mag es zu wissen, woran ich bin. Und ich sagen jedem Date klar, was ich mir wünsche , suche, woran er bei mir ist. Ist fair, oder? Ob das die Gegenseite dann auch so handhabt oder erst gar nicht kann bzw. will, ist dann eine andere Geschichte.

Und seit diesem Moment des therapeutischen Rates, date ich mich. Aus dem ein oder anderem ist sogar mal was geworden, doch so wie die 6,5 Jahre war keines dabei. Ich hege mit 32 den Wunsch nach einer stabilen Partnerschaft und den Wunsch nach eigener Familie. Und dieser Weg führt nun Mal nur über das online- Dating. Bereit? Dann lass uns eintauchen in das Chaos und die Katastrophen.

Der Hausgast

Manchmal würde ich gerne wissen wie es dir jetzt so geht. Manchmal würde ich jetzt gerne wissen, was du jetzt so machst, wie dein Tag so ist, wie du jetzt so aussiehst.

Manchmal würde ich einfach gern nur vorbeikommen wollen. Einfach nur so, so zum hallo sagen. Doch deinem Blick würde ich nicht standhalten können und aus einer Mischung aus Scham und Wut deinem Blick ausweichen müssen und innerlich bebend vor mich auf den Boden gucken.

Manchmal würde ich dir gerne folgen. Weiterlesen